Über Freifunk-Hotspots, im Café, überall einfach ins Wlan, ohne vorgeschaltete „Lügenseite“: Das geht bald auch in Deutschland. Weil die Union eingeknickt ist.
In Deutschland wird es künftig deutlich einfacher, öffentliches Wlan anzubieten. Die umstrittene Störerhaftung beim Wlan wird abgeschafft. Darauf verständigten sich die Experten der großen Koalition nach Informationen der Süddeutschen Zeitung. Damit können nicht nur kommerzielle Anbieter wie Cafés, Flughäfen oder Kneipen problemlos offenes Wlan anbieten, sondern auch Privatpersonen.
Die Koalitionäre gingen damit weit über den lange vom Bundeswirtschaftsministerium favorisierten Gesetzentwurf hinaus. Die Regelung werde voraussichtlich noch in diesem Jahr in Kraft treten, hieß es in der Koalition.
Die Störerhaftung besagt bisher, dass Betreiber eines Netzes haften, wenn darin jemand gegen geltendes Recht verstößt, also zum Beispiel illegal kopierte Fernsehsendungen, Filme oder Musikstücke verbreitet. Dadurch ist eine ganze Abmahnindustrie entstanden.
Im internationalen Vergleich gilt Deutschland als rückständig, was das Angebot freier Wlan-Netze angeht. Es gibt deutlich weniger öffentliche Wlan-Hotspots als etwa in Frankreich oder Großbritannien. Das dürfte sich nun ändern.
Nie wieder Vorschaltseiten
Nun sollen alle Wlan-Anbieter zu sogenannten Access Providern erklärt werden. Das bedeutet auch: Nutzer der Zugänge müssen nicht auf einer vorgeschalteten Seite zusichern, keine Rechtsverstöße zu begehen. Insbesondere diese Vorgabe eines als „Lügenseite“ verspotteten Zwischenschrittes war kritisiert worden, weil sie nicht praktikabel für kleinere Anbieter sei. Die Koalitionsparteien einigten sich auch darauf, auf eine weitere technische Hürde zu verzichten: die Verschlüsselung des Zugangs über den Router wird nicht vorgeschrieben.
Vor kurzem war auch in mehreren Ministerien, darunter dem CDU-geführten Innenministerium, der Widerstand gegen die Abschaffung der alten Regelung gefallen. Ein starkes Argument gegen die Störerhaftung beim Wlan ist die E-Commerce-Richtlinie der EU. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes vertritt die Meinung, dass sie auch Hotels und Cafés von Schadenersatz und Abmahnkosten ausnimmt, wenn über ihren Zugang eine Rechtsverletzung geschieht. Das Gutachten des Generalanwaltes vom März hat die Bundesregierung unter Druck gesetzt. Er erstellte es im Rahmen des Verfahrens, in dem Tobias McFadden, ein Mitglied der deutschen Piratenpartei aus der Nähe von München, gegen die Wlan-Störerhaftung klagt.
McFadden reagierte positiv auf die Einigung der Koalition: „Bei mir herrscht spontane Freude darüber, dass sich die Arbeit der vergangenen Jahre gelohnt hat. Ich bin derzeit noch ein bisschen skeptisch, wie die genaue Formulierung des Gesetzes lauten wird. Aber es sieht gut aus.“ Die Abmahnung wegen angeblichen Hochladens eines Albums der Band Wir sind Helden ging 2010 bei McFadden ein. Er streitet somit seit fünfeinhalb Jahren juristisch gegen die Störerhaftung beim Wlan.